Wenn das Verbrenner-Verbot 2035 gekippt wird – Droht das Ende der Autoindustrie in Deutschland?
- Hussein Khanafer
- 13. Okt.
- 4 Min. Lesezeit
In den letzten Monaten mehren sich Zeichen, dass das ambitionierte Ziel der Europäischen Union, ab 2035 keine Neuwagen mit Verbrennungsmotor mehr zuzulassen, womöglich aufgeweicht oder gar aufgehoben werden könnte. In Brüssel, aber auch in Berlin wird über eine Kehrtwende debattiert – und in Deutschland droht der ohnehin angeschlagenen Automobilbranche eine zusätzliche Katastrophe. Im Folgenden ein kritischer Blick auf die wirtschaftlichen Risiken, die politische Dimension und die möglichen Folgeschäden für deutsche Firmen, Zulieferer und Arbeitsplätze.
Ausgangslage: Was ist dieses „Verbrenner-Verbot 2035“?
Ursprünglich wurde beschlossen, dass ab dem Jahr 2035 in der EU nur noch emissionsfreie Neuwagen (also ohne kohlenstoffemittierende Verbrennungsmotoren) zugelassen werden dürfen.
Technisch gesehen heißt das: Die CO₂-Emissionsgrenzwerte werden so streng, dass klassische Benzin- oder Dieselmotoren sie nicht mehr einhalten können.
Jedoch besteht kein Verbot, möglichst viele oder alle Verbrenner sofort zu verbieten – derzeit geht es um Neuzulassungen. Gebrauchte Verbrenner könnten weiterhin gefahren werden.
Die EU-Kommission will die ursprünglich für 2026 geplante Überprüfung des Gesetzes bereits aufs Jahr 2025 vorziehen.
Kritiker argumentieren, das Ziel 2035 sei unrealistisch und technologische Vielfalt müsse gewahrt bleiben, etwa durch E-Fuels oder hybride Lösungen.
In einem EU-Dokument wurde offenbar eine Passage zum Verbrenner-Verbot gestrichen – das wird als Signal gewertet, dass eine politische Kehrtwende bevorstehen könnte.
Ob das Verbot tatsächlich gekippt wird, ist noch offen – rechtlich ist nichts geändert, aber politische Verschiebungen sind spürbar.

Wirtschaftliche Lage der deutschen Autoindustrie
Deutschland gilt traditionell als Automobilnation. Doch längst ist die Branche in Turbulenzen
Laut dem Verband der Automobilindustrie (VDA) ist die Pkw-Produktion in Deutschland drastisch eingebrochen:
Von 583.000 Pkws im März 2011 auf nur noch 237.000 im August 2025 – ein Rückgang von rund 60 Prozent.
Dieser dramatische Einbruch verdeutlicht, wie tief die strukturellen Probleme inzwischen reichen.
Massiver Druck auf Zulieferer
Die Zulieferindustrie steht unter enormem Stress: 2024 machte fast jede sechste Großinsolvenz in Deutschland einen Autozulieferer betroffen.
Allein im ersten Halbjahr 2025 stieg die Zahl der Insolvenzen im verarbeitenden Gewerbe stark – und Zulieferer spielen eine prominente Rolle.
Bekannte Beispiele:
Der Autozulieferer Eissmann befindet sich seit etwa 1,5 Jahren in der Insolvenz, mit Standortschließungen und eingeschränktem Geschäft.
Der Zulieferer Bohai Trimet, Hersteller von Getriebeteilen, hat ein Insolvenzverfahren eröffnet.
Ein Traditionszulieferer, der Zierteile für Mercedes und Porsche lieferte, rutschte in die Krise, nachdem ein Großauftrag platzt.
Der Zulieferer Schlote meldete für mehrere deutsche Tochterfirmen Insolvenz an.
Der Autozulieferer WKW, bekannt für Zierleisten u.a. für VW und BMW, stellte Insolvenzantrag.
Viele Zulieferer arbeiten mit engen Margen, sind stark verschuldet und hängen von Großaufträgen der OEMs (Autohersteller) ab. Wenn diese Aufträge wegfallen oder
verschoben werden, drohen Liquiditätsprobleme.
Strukturwandel und Investitionsrisiken
Der Umbau hin zu Elektromobilität, Batteriefertigung und alternativen Antrieben erfordert hohe Investitionen in Forschung, Fertigungskapazitäten und neue Lieferketten.
Viele mittelständische Zulieferer können solche Transformationskosten nur schwer stemmen.
In einer Zeit schwacher Nachfrage für Verbrenner und verzögerter Nachfrage für E-Fahrzeuge entsteht eine Übergangsphase mit dramatischen Umsatzrückgängen.
Dominanz globaler Wettbewerber
China und Asien sind in der E-Auto-Produktion und Batteriefertigung stark. Deutsche Hersteller und Zulieferer sehen sich wachsender Konkurrenz gegenüber.
Wenn das 2035-Verbot gekippt würde, würde das Zeitfenster zur Aufholjagd für E-Mobilität kürzer – und ein Rückfall in die Verbrennerthemen kann Investitionen in zukunftsträchtige Technologien verzögern.
Die Regierung räumt indirekt ein, dass der radikale Kurs ein Fehler war – sagt es aber nicht offen
Viele Experten sehen darin das Ergebnis einer ideologisch getriebenen Politik

Unsicherheit für Unternehmen
Ein solcher Richtungswechsel würde enorme Verunsicherung erzeugen: Investitionen, die für Elektromobilität vorgesehen waren, könnten in Frage gestellt werden.
Unternehmen, die bereits umgebaut haben, könnten Verluste erleiden – während andere, die noch zögerten, kurzfristig entlastet würden.
Die Glaubwürdigkeit von Klimaschutzpolitik und industriepolitischer Planung insgesamt würde beschädigt.
Insolvenzwelle beschleunigen
Wenn das Signal ausgesendet wird, dass der Druck auf klassische Antriebe zurückkehrt, könnten Investoren und Banken zögerlicher in Transformationsprojekte investieren – mit Folgen für Liquiditätskredite.
Mittelständische Zulieferer, die bereits in Schieflage sind, könnten schneller zahlungsunfähig werden, wenn Erwartungen, Aufträge oder Finanzierungen ins Stocken geraten.
Die Kaskade von Insolvenzen könnte sich verstärken und ganze Regionen besonders in Bayern, Baden-Württemberg oder Sachsen treffen, wo viele Automobilwerke und Zulieferer angesiedelt sind.
Beschäftigungsrisiken und Strukturbruch
Tausende Arbeitsplätze stünden auf dem Spiel, nicht nur in der Fertigung der Fahrzeuge selbst, sondern entlang der Lieferketten: Metallverarbeitung, Gießereien, Antriebstechnik, Elektronikbau, Kunststoffverarbeitung etc.
Besonders die Regionen, die stark auf die Automobilwirtschaft gesetzt haben, könnten in wirtschaftliche Krisen gestürzt werden.
Langfristig bestünde die Gefahr, dass Deutschland in der globalen Transformation zurückfällt und technologische Führung verliert.
Fazit: Ein waghalsiges Manöver mit hohen Risiken
Ein Kippen des Verbrenner-Verbots 2035 mag kurzfristig als Erleichterung für Teile der Automobilindustrie erscheinen, doch langfristig wäre es ein Spiel mit dem Feuer:
Es würde Investoren und Unternehmen verunsichern,
den Umbau zu klimafreundlicher Mobilität verzögern,
viele Zulieferer vor endgültige Insolvenz stellen
und politisch schwerwiegende Folgen haben.
Gerade in Deutschland, das stark von der Automobilindustrie abhängt, wäre ein solches Eingeständnis – dass der Kurs falsch gewählt war – kaum ohne Kollateralschäden. Die Risiken für Wirtschaft, Arbeitsplätze und die globale Positionierung sind erheblich.
Wenn du möchtest, kann ich dir eine vertiefte Analyse für bestimmte Regionen in Deutschland (z. B. Südwest, NRW) oder für konkrete Zulieferfirmen liefern – willst du das?
Quellen
Europäisches Parlament – „Verkaufsverbot für neue Benzin- und Dieselfahrzeuge ab 2035“
AUTO BILD
Greenpeace Deutschland – „Verbrenner-Verbot 2035: Für Gesundheit und Klima“
Noerr Kanzlei
Bayerische Staatszeitung
auto motor und sport
Golem.de – „EU-Dokument: Verbrenner-Verbot könnte kippen“
Handelsblatt
DIE WELT
SZ Dossier – „Die Insolvenzwelle in der Autozulieferindustrie“
Markt & Mittelstand
BW24
Business Insider Deutschland







